Vorbei ist die Ära des Faxgeräts – die Digitalisierung hat längst auch in deutschen Unternehmen Einzug gehalten. Andreas Liebich, Leiter des Forderungsmanagements bei der Stadtwerke Düsseldorf AG, hat bereits früh auf Automatisierung gesetzt und erklärt in diesem Interview, wie sich seine Aufgaben in den letzten Jahren verändert haben. Er spricht über aktuelle Herausforderungen, den Einsatz von KI und welche Chancen sich in Zukunft durch innovative Technologien für das Forderungsmanagement ergeben. Besonders spannend: Wie können Predictive Analytics und maschinelles Lernen dabei helfen, Zahlungsausfälle frühzeitig zu erkennen?
Haben sich Ihre Aufgaben im Forderungsmanagement bei den Stadtwerken Düsseldorf in den letzten Jahren verändert und welche Rolle spielen dabei die Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz?
Andreas Liebich: Digitalisierung und Automatisierung betreiben wir seit mehr als zehn Jahren konsequent. Mittlerweile bedienen wir mehr Kommunikationskanäle, wir haben mehr Zahlungswege, aber die Kernprozesse laufen hochautomatisiert und weitgehend geräuschlos. Beispielhaft seien genannt die Nutzung von barzahlen.de, die MaKo für den Sperrprozess, Umsetzung der Abwendungsvereinbarung. Ich denke aber, dass das Forderungsmanagement aufgrund der Entwicklungen der letzten vier Jahre (Corona, Inflation, Krieg, Preisbremse, …) verstärkt von den Kunden wahrgenommen wird. Wir haben dem Kunden auch einiges zugemutet (Preisanpassungen, Abschlagsanpassungen, Bearbeitungsrückstände usw.) und auch nicht immer alles gut gemacht…
Der Kunde ist insgesamt anspruchsvoller geworden. Die Sensibilität für das reibungslose Funktionieren von Zahlungs-, Abbuchungs- u. Mahnprozessen hat, bis zum Vorstand hoch, stark zugenommen. KI war da bisher nicht im Spiel.
Welche Vorteile sehen Sie in der Anwendung von KI für die Optimierung von Zahlungsprozessen und das Forderungsmanagement?
Andreas Liebich: Mit Blick auf die Demographie unseres Unternehmens und die Herausforderung neues Personal zu rekrutieren, wird es aus meiner sich absolut notwendig sein, die Chancen, die KI bieten wird, zu nutzen. Künstliche Intelligenz wird uns – hoffentlich – helfen die Zuordnungsquoten bei Zahlungen zu erhöhen und idealerweise auch bei der Verrechnung von Zahlungen auf dem Kundenkonto. Ein Traum wäre die maschinelle Erzeugung von Kontoauszügen…
Für das Forderungsmanagement selber erhoffe ich mir Vorteile im Bereich Predictive Analytics. Bei der frühzeitigen Erkennung von Zahlungsstörungen und Zahlungsausfällen, idealerweise kombiniert mit Vorschlägen für den nächsten Schritt in der Kundenkommunikation, z. B.: Wann ist es ratsam den Geschäftskunden auf Vorkasse umzustellen, um das Insolvenzrisiko zu minimieren?
Künstliche Intelligenz (KI) ist ein großes Thema in vielen Branchen. Wie setzen Sie bei Stadtwerke Düsseldorf AG KI im Forderungsmanagement ein? Gibt es spezifische Beispiele oder Projekte, bei denen KI in Ihrem Unternehmen bereits erfolgreich eingesetzt wurde?
Andreas Liebich: Wir sehen, dass es noch nicht die plug and play Lösungen am Markt gibt. Die werden sich aber entwickeln. Im Forderungsmanagement setzen wir KI aktuell noch nicht ein. Wir befinden uns bei der SWD AG aktuell in einem Transformationsprojekt bei dem wir unsere gesamte Systemlandschaft gegen die neue S/4 Welt der SAP austauschen. Im Projekt prüfen wir aktuell den Einsatz des Collections Managements im FI-CA (Vertragskontokorrent), das uns den Zugriff auf KI-Funktionalitäten speziell in der Buchhaltung eröffnet.
Anfang des Jahres haben wir in einem ersten Schritt im Projekt unseren Agentendesktop auf die SAP-Service Cloud umgestellt und nutzen die KI aktuell zur Kategorisierung von Nachrichten auf dem Kanal Schrift. Spannende Erkenntnis am Rande: Das Training der KI ist doch recht aufwändig. Die Beleuchtung dieses Aspekts vermisse ich auch in vielen Success-Stories. Wer trainiert? Wer prüft? Wie lange dauert es? Wieviel Ressourcen werden gebunden?
Die neue, offene Architektur des S/4 ermöglicht es uns als Kunden, über die SAP-BTP (Business Transformation Plattform), Zugriff auf neue KI-Services von Drittanbietern zu erlangen oder mit SAP-Joules (SAP KI-Assistent) eigene KI-Services zu entwickeln. Und das mit einer hohen Integration in die bestehende Systemlandschaft. Ich bin gespannt was es da noch zu entdecken gibt!
Eine häufige Sorge bei der Einführung von KI ist der Datenschutz. Wie gehen Sie bei Stadtwerke Düsseldorf AG mit sensiblen Kundendaten um, insbesondere im Zusammenhang mit KI-Anwendungen?
Datenschutz und Vertraulichkeit von Daten sind für Energieversorger ein hohes Gut. Auch für die SWD AG. Vor allem in Hinblick auf eine zukünftige, intakte Kundenbeziehung ist hier besondere Sorgfalt notwendig. Wir müssen vertrauen schaffen und Ängste abbauen. Das gelingt nur mit Transparenz über die Art und den Zweck der Datenverarbeitung. Dabei hilft die Orientierung an der DSGVO, die ja primär den Schutz des Privatkunden im Fokus hat.
Mit Blick auf KI schließt das vor allem die Nutzung von Public Cloud Szenarien aus, da dort eine Kontrolle des Datenzugriff und der Verwendung nicht gegeben ist. Wir nehmen die Anforderungen der DSGVO als Unternehmen sehr ernst und binden bei allen Entscheidungen über den Speicherort von Daten und die genutzten Systeme unseren Datenschutzbeauftragten ein.
Wie sehen Sie die Zukunft des Forderungsmanagements in Bezug auf KI und andere innovative Technologien? Welche Trends und Entwicklungen erwarten Sie?
Man sieht es an den Börsen, der erste große Hype rund um die KI ist abgeklungen. Das Thema Künstliche Intelligenz wird bleiben, ich vermute, dass es anders ist als beim Thema Blockchain, dem man ja mehr zugetraut hat. Es werden sich Schwerpunkte herauskristallisieren bei denen KI besonders gut funktioniert. Daneben stehen weiter alle Themen im Rampenlicht, die den Automatisierungsgrad steigern, z. B. RPA. Ich gehe davon aus, dass unsere Softwarelieferanten einen wesentlichen Anteil an der Weiterentwicklung mit KI-Modulen beitragen werden.
Der Fokus für die Zukunft wird weiter darauf liegen, die Mitarbeitenden primär mit den Themen zu beschäftigen, die unsere Wertschöpfung optimieren. Die Digitalisierung wird weiter voranschreiten und ich bin gespannt worüber wir uns in zwei Jahren unterhalten werden.
© Titelbild: Andreas Liebich