Josefine Burkhardt: „Mit sauberen Produkt- und Kundendaten zum Erfolg.“

Unternehmen stehen heutzutage mehr denn je vor der Herausforderung, ihre Content-Strategien an die dynamischen Bedürfnisse ihrer Zielgruppen anzupassen, die täglich mit sehr vielen Inhalten konfrontiert wird – und hier kommt die Künstliche Intelligenz ins Spiel. Im Interview mit der E-Commerce-Expertin Josefine Burkhardt erfahren wir, wie KI die Content-Erstellung und -Optimierung im E-Commerce neu definiert und welche Vorteile sich für Unternehmen bieten, die diesen Wandel frühzeitig für sich nutzen. Doch welche Hürden gilt es dabei zu überwinden?

Redaktion: Künstliche Intelligenz verändert derzeit viele Bereiche, einschließlich des Content-Managements. Wie sehen Sie die Rolle von KI in der Entwicklung und Umsetzung von Content-Strategien im E-Commerce?

Josefine Burkhardt: Künstliche Intelligenz verändert das Content-Management nicht nur – sie revolutioniert die Branche disruptiv. Datengetriebene Insights ermöglichen es, digitale Inhalte noch gezielter auf die Bedürfnisse der Konsumenten abzustimmen. Im E-Commerce kann KI dabei helfen, Trends und Verhaltensmuster zu identifizieren, um personalisierte Inhalte zu erstellen, die den Kunden entlang der gesamten Customer Journey ansprechen. Inhalte können auf diese Weise automatisierter erstellt, optimiert und analysiert werden, was die Effizienz von Content-Strategien stetig verbessert. So lassen sich Kosten senken und Umsätze steigern, weil Inhalte schneller generiert und Zielgruppen zur richtigen Zeit mit den richtigen Themen erreicht werden. Auch die Mitarbeiterzufriedenheit steigt, da weniger monotone Aufgaben anfallen und dadurch mehr Raum für kreative und organisatorische Tätigkeiten bleibt.

Der KI-Hype ist allgegenwärtig, doch die tatsächliche Adoptionsrate, die ich im Bereich des Content-Managements auf dem DACH-Markt sehe, ist immer noch relativ gering. Nur eine Handvoll ausgewählter Vorreiter verfolgt bereits eine KI-basierte Content-Strategie. Viele Organisationen sind skeptisch, unbeeindruckt oder scheuen die Investitionen in notwendige Kapazitäten und Expertise. Häufige Gründe für das Zögern sind Zweifel, Ängste und Unsicherheiten, die der Hype mit sich bringt. Fragen wie: “Gibt es rechtliche Einwände?” “Wer besitzt das Copyright?” “Was bedeutet das für unsere Infrastruktur und Mitarbeiter?” sind dabei zentrale Bedenken. 

Wir brauchen mehr von der “Lass es uns ausprobieren und sehen, was passiert – Mentalität“, die auf internationalen Märkten wie den USA oder China gefeiert und gelebt wird. Langfristig werden sich Unternehmen durchsetzen, die verstehen, dass sie neben ihrem Kerngeschäft auch in das Tech-Geschäft einsteigen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Niemand weiß genau, wie sich die Branche durch KI langfristig verändern wird, aber eines ist sicher: Die Veränderung ist unaufhaltsam. Die entscheidende Frage lautet daher: Will ich als Innovator die Zukunft aktiv mitgestalten, oder nehme ich als Late-Adopter das Risiko in Kauf, von der Konkurrenz abgehängt zu werden?

Redaktion: Generative KI und maschinelles Lernen verändert den Prozess der Content-Erstellung grundlegend. Wie setzen Sie diese Technologien ein, um Inhalte für E-Commerce-Plattformen zu optimieren? Können Sie konkrete Beispiele geben?

Josefine Burkhardt: Ein klassisches Beispiel für den erfolgreichen Einsatz von KI im Content-Sektor ist die vollständig oder teilautomatisierte Erstellung von Übersetzungen. Es ist auch möglich, schnelle Änderungen an Inhalten in allen Sprachen vorzunehmen. Man spart sich die Zusammenarbeit mit externen Agenturen und kann Kosten dadurch erheblich senken. Die Qualität der erstellten Inhalte hängt dabei stark von der Qualität des Quelltextes sowie der Reife der genutzten KI ab. Auch die kontrollierte Erstellung von Produktbeschreibungen für den Onlinehandel eignet sich für die Nutzung von KI meiner Meinung nach hervorragend. 

Es ist wichtig zu verstehen, dass KI nicht vollständig das kreative und strategische Denken ersetzt. Editoren, Copywriter, Prompter sowie Daten- und SEO-Manager sind wichtiger denn je, da sie die KI korrigieren, trainieren und ihr vorgeben, was sie wann in welcher Tonalität, für welche Zielgruppe oder zu welchem Zweck liefern soll. Altbekannte Jobprofile entwickeln sich dadurch grundlegend weiter, doch werden sie keinesfalls irrelevant. Vielmehr entfallen monotone Aufgaben im Content-Alltag, die in der Vergangenheit viel Zeit in Anspruch genommen haben. So kann sich das Team auf die wichtigen Dinge konzentrieren, die einen echten Mehrwert für den Kunden schaffen. Dazu gehört zum Beispiel die Sicherstellung einer vollständigen, korrekten, relevanten und aufgeräumten Datengrundlage im Content-Management-System (CMS) – der Arbeitsumgebung von Content-Managern. Dies ist die Voraussetzung, um dem Datenchaos in Organisationen ein Ende zu bereiten.

Darunter fallen nicht nur interne Produktdaten oder veraltete Inhalte, sondern insbesondere auch fundierte Kenntnisse über die angesprochenen Kundensegmente, deren soziodemografische Präferenzen und welcher Content für sie wirklich interessant ist. Ganz nach dem Motto: Weniger ist mehr – Wenn es richtig gemacht wird. Dieser Job wird nie abgeschlossen sein, sondern erfordert konstante Aufmerksamkeit durch Mitarbeiter, die Regeln und Richtlinien pflegen, kontrollieren und durchgehend up-to-date halten.

Redaktion: Wie kann KI dazu beitragen, die Ansprache und das Engagement unterschiedlicher Zielgruppen zu verbessern? Sehen Sie spezifische Vorteile in der Nutzung von KI, um Inhalte besser auf die Bedürfnisse und Vorlieben der Kunden abzustimmen?

Josefine Burkhardt: Content-Teams erhalten mit KI ein neues Werkzeug zur Ideenfindung und Planung, das ihren kreativen Schaffensprozess nicht nur anregt, sondern kontinuierlich verbessert. Eine KI kann dabei helfen, das Verhalten, die Vorlieben und demografischen Daten der Kunden zu analysieren und Empfehlungen für die Content-Erstellung zu geben.  Sie kann vorhersagen, welche Art von Inhalten für welche Zielgruppe wann und wo am ansprechendsten ist, was die Relevanz und das Engagement steigern kann. Dadurch lassen sich Kundenbindung und -loyalität langfristig stärken.

Danach gilt: Ausprobieren! Wichtig dabei: Die Erfolgsmessung nicht vergessen. Der Prozess ist nicht mit dem Go-Live der Inhalte abgeschlossen. Die KPIs des Performance-Trackings und die Learnings, die sich daraus ziehen lassen, sind elementar für eine überzeugende strategische Vorgehensweise. Hierfür eignet sich neben den klassischen KPIs (Page-Views, Click-Rate, Conversion-Rate & Co.) auch der Blick auf Retourenquoten sowie die vom Kunden genannten Retourengründe oder anderes direktes Kundenfeedback wie bspw. “War dieser Inhalt hilfreich?”, um Inhalte gezielt zu optimieren.

Redaktion: Wie sehen Sie die Zukunft der KI im E-Commerce, insbesondere im Hinblick auf Content-Operations und -Strategie? Welche Entwicklungen erwarten Sie in den nächsten fünf Jahren?

Josefine Burkhardt: In den nächsten fünf Jahren wird KI weiter an Bedeutung gewinnen, insbesondere durch die zunehmende Automatisierung im Bereich Content-Operations, von der Inhaltsplanung bis zur Performance-Analyse. Wir können auch Entwicklungen im Bereich der Sprach-KI, wie Chatbots und Voice Commerce erwarten, die ein immersives und personalisiertes Einkaufserlebnis schaffen. Die fortschreitende Integration von KI in Content-Management-Systeme wird die Grenzen zwischen Marketing, Vertrieb und Kundenservice zunehmend verwischen, da Daten aus verschiedenen Bereichen miteinander verknüpft werden und so die Kundeninteraktionen effizienter gestaltet werden können.

Redaktion: Welchen Rat würden Sie Unternehmen geben, die gerade erst beginnen, KI in ihre Content-Strategie zu integrieren? Was sind die ersten Schritte, die sie unternehmen sollten?

Josefine Burkhardt: Mein Tipp: Sich mit kleinen Use-Cases an die Technologie herantasten und schrittweise vorgehen. Man sollte keine Wunder von heute auf morgen erwarten, wenn man zuvor seine Hausaufgaben nicht gemacht hat und keine klare Strategie verfolgt. Unternehmen sollten sicherstellen, dass qualitativ hochwertige und relevante Daten zu ihren Produkten und Kunden verfügbar sind, die KI-Modelle zur Erstellung von Content nutzen können. Besonders wichtig ist es auch, die Mitarbeitenden im Umgang mit KI-Tools zu schulen. Der US-Konzern Walmart befragt beispielsweise Mitarbeiter aus unterschiedlichen Abteilungen, um herauszufinden, wo integrierte KI-Lösungen bei eintönigen Aufgaben im Arbeitsalltag entlasten können. Alle Vorschläge werden evaluiert, nach Aufwand und erwartetem Nutzen priorisiert und dann schrittweise eingeführt.

Es gibt Bereiche, in denen für den Einsatz von KI schon alle Zeichen auf Grün stehen. Einer davon ist meiner Meinung nach ganz klar: Die kontrollierte Erstellung von Übersetzungen und Produktbeschreibungen im Onlinehandel, bei denen die Mitarbeiter die finalen Freigabe- und Korrekturprozesse übernehmen. Was man dafür braucht? Strukturierte Produktdaten, die die KI nutzen kann. Gerne helfe ich Ihnen dabei, diese Herausforderung zu bewältigen. Als Enthusiastin für KI bin ich davon überzeugt: Während die Erforschung und Nutzung von KI gewisse Risiken mit sich bringt, besteht das größte Risiko darin, überhaupt kein Risiko einzugehen.

© Titelbild: Josefine Burkhardt

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