Julius Kretz von der ALH Gruppe und Slobodan Pantelic von der HDI Vertriebs AG haben sich auf dem Customer Focus Summit einer spannenden Frage gewidmet: „Kommt nach Open Banking auch Open Insurance?“ Ihr Vortrag beleuchtete die Chancen und Herausforderungen dieses Konzepts, bei dem Versicherungsdaten für Dritte zugänglich gemacht werden, um innovative Dienstleistungen und Kundenlösungen zu ermöglichen.
Open Insurance – Eine neue Ära für die Versicherungsbranche?
Mit PSD2 und Open Banking wurden Bankdaten für Drittanbieter zugänglich gemacht, um neue innovative Geschäftsmodelle und Dienstleistungen zu fördern. Diese Regulierungen haben den Weg für eine offene Datenökonomie im Finanzsektor geebnet. Kretz und Pantelic stellten die Frage, ob ein ähnliches Modell nun auch im Versicherungssektor etabliert werden kann: „Open Insurance“.
Der Kundenzentrierte Datenaustausch, so wie er im Bankwesen durch Open Banking gefördert wurde, könnte auch in der Versicherungsbranche erhebliche Vorteile bringen. Die Idee ist, dass Versicherungsdaten – wie Vertragsinformationen, Schadendaten oder auch Gesundheitsdaten – für Drittanbieter zugänglich gemacht werden, um den Kunden maßgeschneiderte Services zu bieten. Diese Daten könnten beispielsweise genutzt werden, um Versicherungsprodukte dynamisch zu gestalten oder Schadensmeldungen zu automatisieren.
Plattformen und Ökosysteme als Treiber
Ein zentraler Punkt des Vortrags war die Bedeutung digitaler Plattformen und Ökosysteme für die Versicherungsbranche. Kretz und Pantelic betonten, dass viele traditionelle Versicherer noch in linearen „Pipeline-Geschäftsmodellen“ arbeiten, bei denen Produkte entwickelt und an Kunden verkauft werden, ohne dass Daten in größerem Umfang geteilt oder genutzt werden. Diese Modelle seien stabil, jedoch nicht geeignet für die datengetriebene Zukunft.
Plattform-Geschäftsmodelle hingegen setzen auf eine netzwerkartige Struktur, bei der Kunden und Anbieter auf einer Plattform zusammengeführt werden. Diese Plattformen ermöglichen es, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und durch den Austausch von Daten Mehrwert zu schaffen. Doch damit dies funktioniert, braucht es offene Schnittstellen und Standards – genau hier setzt die Idee von „Open Insurance“ an.
Use Cases für Open Insurance
Ein vielversprechendes Beispiel für die Anwendung von Open Insurance ist die Automatisierung von Schadenmeldungen. In einer vernetzten Welt könnten Versicherungsdaten automatisch in Echtzeit übermittelt und verarbeitet werden, was zu einer schnelleren Bearbeitung und Regulierung von Schadensfällen führt. Kretz und Pantelic nannten außerdem die zentrale Rentenplattform der Bundesregierung, die den Bürgern mehr Transparenz über ihre Altersvorsorge bieten soll. Hier könnte Open Insurance eine Schlüsselrolle spielen, indem es ermöglicht, alle relevanten Rentendaten auf einer Plattform zu integrieren und so eine vollständige Übersicht über die finanzielle Situation des Einzelnen zu bieten.
Ein weiterer Use Case betrifft die Gesundheitsvorsorge. Mit einer offenen Infrastruktur könnten Krankenversicherungen Gesundheitsdaten nutzen, um Präventionsmaßnahmen anzubieten oder den Behandlungsverlauf zu verbessern. Auch in der Lebens- und Rentenversicherung könnten personalisierte Angebote entwickelt werden, die auf den individuellen Bedürfnissen der Kunden basieren.
Herausforderungen und Chancen
Obwohl Open Insurance zahlreiche Chancen bietet, ist es noch nicht reguliert. Kretz und Pantelic betonten, dass die Versicherungsbranche jetzt die Möglichkeit habe, proaktiv Use Cases zu entwickeln und innovative Lösungen zu schaffen, bevor eine Regulatorik erlassen wird. Dabei sei es entscheidend, dass der Kunde stets die Kontrolle über seine Daten behält und diese nur mit seiner Zustimmung geteilt werden.
Die Referenten verwiesen auch auf die „Free Insurance Data Initiative“ (FRIDA), eine branchenweite Initiative, die den kundenzentrierten Datenaustausch im Versicherungssektor fördern möchte. Ziel dieser Initiative ist es, Standards zu schaffen, die den sicheren und transparenten Datenaustausch ermöglichen. FRIDA setzt auf Offenheit und Zusammenarbeit, um Innovationen voranzutreiben und Prozesse effizienter zu gestalten.
Fazit
Julius Kretz und Slobodan Pantelic zeigten in ihrem Vortrag eindrucksvoll, dass Open Insurance das Potenzial hat, die Versicherungsbranche zu revolutionieren. Durch den offenen Datenaustausch könnten neue, kundenorientierte Dienstleistungen entwickelt werden, die nicht nur den Service verbessern, sondern auch die Effizienz erhöhen. Die Zeit ist reif für Versicherer, sich auf digitale Ökosysteme und Plattformen einzulassen, um die Chancen von Open Insurance zu nutzen.