Mike Jung, Head of Finance Operations bei Zürich, beschäftigt sich in seinem Vortrag mit einer spannenden Frage: Kann man im Inkasso Kundenorientierung und Vertriebspotenziale erreichen? Seine klare Antwort lautet „Ja“. Jung gibt einen Überblick über das Thema Inkasso bei Zürich und beschreibt, wie dieser Bereich nicht nur operativ, sondern auch als Vertriebshebel genutzt werden kann.
Inkasso als Hygienefaktor
Zu Beginn hebt Jung hervor, dass Inkasso in der Regel als ein „Hygienefaktor“ angesehen wird – ein notwendiger Bestandteil des Geschäfts, der unauffällig und effizient ablaufen sollte. Kunden melden sich in der Regel nicht, um Lob für einen gut abgewickelten Lastschrifteinzug zu verteilen. Dennoch spielt das Inkasso eine wichtige Rolle in der Versicherungsbranche, da es Teil eines reibungslosen Zahlungsprozesses ist. Auch wenn Versicherer eine relativ komfortable Position haben – sie erhalten Prämienzahlungen oft vor einer eventuellen Schadensabwicklung – bleibt die Inkasso-Abwicklung komplex und entscheidend für die langfristige Finanzstabilität eines Unternehmens.
Krisenzeiten und ihre Auswirkungen auf das Inkasso
Jung beschreibt, wie Krisen wie die Corona-Pandemie, Inflation und Energiekrisen die Zahlungsfähigkeit der Kunden beeinflussen. Interessanterweise stellte Zürich während der Corona-Krise fest, dass die Außenstände sogar gesunken waren. Dies lag daran, dass viele Menschen ihre Konsumausgaben reduzierten und stattdessen verstärkt Wert auf ihre Absicherung durch Versicherungen legten. Dennoch war die Versicherungsbranche stark gefordert, da das Inkasso-Team während dieser Zeit Strategien entwickeln musste, um die Kunden zu unterstützen und gleichzeitig das Versicherungskollektiv zu schützen. Laut Jung wird die Bedeutung des Inkassos in den kommenden Jahren weiter zunehmen, insbesondere angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheiten.
Erfolgsfaktoren für kundenorientiertes Inkasso
Jung betont die Bedeutung der Kundenperspektive im Inkasso. Der Kunde erwartet nicht nur eine reibungslose und einfache Zahlung, sondern auch Transparenz und Unterstützung, wenn es Probleme gibt. Wichtig sei es, nicht nur maschinelle Prozesse durchzuführen, sondern den individuellen Kundenkontext zu berücksichtigen. Insbesondere bei langjährigen, zuverlässigen Kunden sollte das Unternehmen nachfragen, ob sie Unterstützung benötigen, bevor zu drastischeren Maßnahmen gegriffen wird.
Jung gibt mehrere Empfehlungen für ein erfolgreiches, kundenorientiertes Inkasso:
- Von anderen Branchen lernen: Versicherungen können viel von Branchen wie dem E-Commerce oder der Energieversorgung lernen, die oft flexibler und kundenorientierter im Umgang mit Zahlungen sind.
- Über Ressortgrenzen hinausdenken: Inkasso sollte nicht als isolierter Prozess betrachtet werden, sondern als Teil der gesamten Customer Journey und in Zusammenarbeit mit anderen Unternehmensbereichen wie dem Vertrieb und dem Produktmanagement gestaltet werden.
- Daten nutzen: Jung betont die Bedeutung von Datenanalyse im Inkasso, um Kunden besser zu verstehen und individuell auf sie einzugehen. Hierzu gehört auch, veraltete Glaubenssätze, wie z.B. die Annahme, dass der Lastschrifteinzug immer die beste Zahlungsmethode sei, zu hinterfragen und durch Daten getriebene Entscheidungen zu ersetzen.
Technologie und Innovation im Inkasso
Jung erklärt, dass die Digitalisierung auch im Inkasso eine zentrale Rolle spielt. Es gehe darum, die gesamte Customer Journey zu verstehen und durch neue Technologien wie Machine Learning und Datenanalyse zu optimieren. Dies erfordert oft eine Umstellung auf moderne Systeme und eine verbesserte Datenverfügbarkeit.
Ein besonderes Augenmerk legt Jung auf die Einführung alternativer Bezahlmethoden. Neben klassischen Methoden wie Lastschrift und Überweisung bietet Zürich bereits Kreditkartenzahlungen und PayPal an, um den Kunden flexible und bequeme Zahlungsoptionen zu bieten. Die Herausforderung besteht darin, die richtigen Zahlungsmethoden für die unterschiedlichen Kunden- und Produktgruppen anzubieten.
Inkasso als Vertriebshebel
Ein weiteres zentrales Thema in Jungs Vortrag ist die Rolle des Inkassos als Vertriebsinstrument. Durch positive Erfahrungen im Inkassoprozess – etwa durch Flexibilität in der Zahlungsabwicklung oder persönliche Unterstützung bei Zahlungsproblemen – können Kunden langfristig gebunden und sogar Vertriebspotenziale geschaffen werden. Zufriedene Kunden sind eher bereit, weitere Produkte oder Dienstleistungen des Versicherers zu nutzen.
Mike Jung schließt seinen Vortrag mit der Zusammenfassung, dass kundenorientiertes Inkasso nicht nur den finanziellen Erfolg eines Unternehmens sichern kann, sondern auch zur Stärkung der Kundenbindung beiträgt. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Kombination aus datengetriebenen Entscheidungen, Flexibilität und dem Einsatz neuer Technologien. Ein kundenfreundliches Inkasso bietet nicht nur Vorteile für das Unternehmen, sondern schafft auch echte Mehrwerte für die Kunden, was wiederum Vertriebspotenziale eröffnet.