Im Gespräch mit Richard Lohwasser, Gründer und Geschäftsführer von enneo.ai, erfahren wir, wie die Idee für das innovative Start-up aus einer langjährigen Beobachtung in der Energiebranche entstand. Im Interview gibt er außerdem Einblicke in die Herausforderungen, die sein Team auf dem Weg zur Unternehmensgründung meistern musste, und wie enneo.ai es schafft, durch künstliche Intelligenz Kundenanliegen nicht nur effizient, sondern auch empathisch zu lösen.
Wann und wie ist die Idee für enneo.ai entstanden und gab es Hürden bei der Unternehmensgründung?
Richard Lohwasser: Die Idee für enneo.ai entstand Ende 2022 mit der Einführung von ChatGPT. Seit über 15 Jahren bin ich in der Energiebranche tätig—zunächst als Berater bei McKinsey, dann bei Vattenfall und später als Geschäftsführer im Service-Bereich von ExtraEnergie. Dort bemerkte ich, dass Kundenservice-Mitarbeiter ständig die gleichen Anfragen bearbeiteten, aber es kaum Automatisierung gab, besonders bei E-Mails und Briefen mit hohem Volumen.
Zusammen mit Kyung gründete ich später unseren eigenen Energieversorger, Lition Energie, und versuchte erneut, Kundenservice-Prozesse zu automatisieren—jedoch ohne großen Erfolg. Die Einführung von ChatGPT zeigte uns dann das immense Potenzial, den Kundenservice grundlegend zu revolutionieren. Kurz darauf gründeten wir enneo.ai.
enneo.ai nutzt Künstliche Intelligenz, um den Kundenservice von Energieversorgern zu verbessern. Welche spezifischen Herausforderungen im Kundenservice der Energiebranche lösen Sie mit Ihrer Lösung, und wie unterscheidet sich Ihre KI von anderen am Markt?
Richard Lohwasser: Der Kundenservice in der Energiebranche muss eine Flut wiederkehrender Anfragen effizient bearbeiten, was traditionell viel manuellen Aufwand erfordert. Dabei geht es vor allem um die Cost-to-Serve und die Kundenzufriedenheit. Da Kosten in den letzten Jahren nur eine Richtung kannten, müssen Versorger effizienter werden. Hierfür haben wir enneo gegründet, um als Omnichannel-Serviceplattform Kundenservice-Anliegen auf den Kanälen E-Mails, Briefe, Systemaussteuerungen und Chat zu verarbeiten.
Die KI kommt dabei in zwei Stufen zum Einsatz:
- Als „Pilot“ bei Standardfällen: Bei bis zu einem Drittel aller Fälle braucht es keinen Menschen mehr: Guthabenauszahlungen, Bankdatenänderungen oder Zählerstandsmeldungen u.v.m. werden allein verarbeitet.
- Als „Copilot“ bei komplexeren Fällen: Bei anspruchsvolleren Anliegen erstellt unsere KI Antwortvorschläge, die der Kundenservice-Mitarbeiter übernehmen kann. Alle relevanten Daten wie Arbeits- oder Grundpreise, Zählerstände oder offene Posten kennt sie dabei.
Unsere KI unterscheidet sich durch ihre Spezialisierung auf die Energiebranche und die Fähigkeit zur vollautomatischen Dunkelverarbeitung. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Bis zu 30 Prozent der Kundenanliegen werden vollautomatisch bearbeitet, und die Bearbeitungszeiten der restlichen Anfragen verkürzen sich signifikant.
Einer Ihrer Schwerpunkte liegt auf der Automatisierung von Kundenanfragen. Wie stellen Sie sicher, dass Ihre KI dabei nicht nur effizient, sondern auch empathisch und kundenorientiert agiert?
Richard Lohwasser: Sehr einfach: Dafür nutzen wir in Echtzeit die bisher versandten E-Mails und Briefe als Trainingsmaterial, sodass unsere KI den bestehenden Kommunikationsstil des Energieversorgers übernimmt.
Aber keine Sorge: Zusätzlich geben wir in unseren Prompts klare Anweisungen für passende Formulierungen und Höflichkeit. Unsere KI analysiert auch die Stimmung jeder Kundenanfrage: Ein verärgerter Kunde erhält eine einfühlsamere Antwort als jemand mit einem sachlichen Anliegen.
Das Handelsblatt berichtet, dass Ihr Start-up bereits mit Energieversorgern zusammenarbeitet. Welche Erfahrungen und Learnings haben Sie und Ihre Kunden aus der Zusammenarbeit ziehen können?
Richard Lohwasser: Wir haben in der Zusammenarbeit mit Energieversorgern viele wertvolle Erfahrungen gesammelt. Obwohl die fachlichen Prozesse oft ähnlich sind, da sie im Grunde vom BDEW und der BNetzA vorgegeben sind, unterscheiden sich die internen Systeme der Versorger erheblich. Da unsere Software speziell für die Energiebranche entwickelt wurde, können wir diese Unterschiede effektiv adressieren, ohne Kompromisse eingehen zu müssen.
Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung von KI im Kundenservice, insbesondere in der Energiebranche, und welche neuen Funktionen plant enneo.ai in Zukunft zu integrieren?
Richard Lohwasser: Ich bin überzeugt, dass es in einigen Jahren völlig normal sein wird, typische Kundenanliegen vollautomatisch und sofort zu erledigen – auch sonntags vom Sofa. Dieser Komfort wird schnell zur Selbstverständlichkeit, die nicht mehr wegzudenken ist. Die bisher vorherrschende Mensch-zu-Mensch Interaktion wird sich hingegen mehr auf Sonderthemen oder beratungsintensive Anliegen konzentrieren, oder für bestimmte Kundengruppen, die darauf bestehen und dafür auch gewillt sind, höhere Preise in Kauf zu nehmen.
Enneo.ai sieht sich als Wegbereiter einer solchen Zukunft — als Schnittstelle zwischen modernen technologischen Innovationen wie Sprachmodellen und den spezifischen Prozessen eines Energieversorgers.
© Titelbild: Richard Lohwasser